Rheinische-Post    Montag, 31.12.2001 
             -          Heutzutage       -

  Ein Wuppertaler und der deutsche Schlager
 Der Traum vom Showgeschäft

   "Mein größter Wunsch wäre es, irgendwann entdeckt zu werden und einen
     Plattenvertrag zu bekommen." Björn Wagner (27)
 ERKRATH
. Es ist Samstag Mittag, und bei Möbel Flamme im Erkrather Industriegebiet wird auch
 zwischen den Jahren feste verkauft. Neben dem Info-Schalter am Eingang leuchtet ein Christbaum in
 Violett und Gold. Ein paar Dreikäsehochs toben im "Kinderparadies", nebenan erholen sich die
 Erwachsenen vom Stress. Das Möbelhaus spendiert Kaffee, Limo, heiße Wurst - und Unterhaltung.

 Zwischen roten Samtsesseln, einer grauen Regalwand und Stapeln von Teppichen hat Björn Wagner
 ("Björn wie Engholm, Wagner wie Richard") sein Arbeitsgerät aufgebaut. Ein 12-Kanal-Mischpult,
 Echo, zwei große Lautsprecherboxen mit Subwoofer. Der 27-Jährige sitzt hinterm Mikro und bedient
 die Tasteninstrumente.  "Mendocino, Mendocino, ich fahre jeden Tag nach Mendocino . . ."
  Björn Wagner ist Alleinunterhalter. Für 60 Euro die Stunde tritt er auf Geburtstagsfeiern, Hochzeiten
 und Betriebsfesten auf. Er soll dafür sorgen, dass sich die Gäste amüsieren. Kein leichter Job: Wagner
 macht auf dem Keyboard Musik, er singt, klopft lustige Sprüche und verwickelt die Leute in allerlei
 Partygedöns.
 
  "Ich bin zur Zeit dabei, Dudelsack und Panflöte zu lernen. Außerdem werde ich Luftballons
 modellieren", sagt der Wuppertaler: "Man muss sich immer etwas Neues überlegen. Man muss gucken,
 dass man mehr bietet als die anderen." Wieso gerade Dudelsack? "Weil es etwas Außergewöhnliches
 ist. Wenn der Kunde will, trete ich im Kilt auf. Man muss zeigen können, dass man vielseitig ist. Dann
 hat man gewonnen."
 
  Die Konkurrenz ist groß. "Es gibt viele Alleinunterhalter, aber es gibt nur wenige gute
 Alleinunterhalter", formuliert Björn Wagner. Mit neun Jahren bekam er von der Oma eine
 Hammond-Orgel, mit 13 stand er zum ersten Mal auf der Bühne. Als Schüler verdiente er sonntags in
 Gaststätten mit Unterhaltungsmusik Geld.
 
  Der schlanke, 193 Zentimeter große Typ hat Einzelhandelskaufmann gelernt. Aber er will
 Alleinunterhalter sein. Und wenn - was werktags häufig vorkommt - die Engagements fehlen, setzt er
 sich in einen Zwölftonner und fährt als Lkw-Kurier Güter aller Art durch die Republik.
 
  Jeden Samstag rollt Wagner bei der Firma Flamme für Möbel-Käufer den Klangteppich aus. "Das ist
 ganz anders als das, was ich sonst mache. Die Leute sind ja nicht zum Feiern, sondern zum Einkaufen
 hier", meint der Künstler. Er trägt Anzug, Weste und Krawatte. Sehr schick! Und doch gehen die
 meisten vorbei, ohne ihn zu beachten. Mal wünscht sich eine Frau die Musik aus "Der dritte Mann",
 mal eine andere ein Oldie von Harpo.
 
 "Movie star, movie star, you think you are a movie star . . ."
 
  "Als Alleinunterhalter können Sie sich keine schlechte Laune leisten. Wenn Sie mal Sorgen haben,
 müssen Sie die verdrängen", erklärt Wagner. Was ist der Reiz des Berufes? "Dass ich immer wieder
 ein neues Publikum habe, das ich mit meiner Person und meiner Musik rumkriegen muss."
 
  Er träumt von einer Karriere als Schlagersänger: "Ich möchte Schallplatten machen, moderne deutsche
 Schlager - so wie ihn Ibo oder Guido Hoffmann singen. Aber das Künstlergeschäft ist sehr, sehr
 schwer. Es gibt viele gute Leute, die schon jahrelang spielen und machen und tun. Die kommen einfach
 nicht richtig hoch. Andere haben Massel und werden groß vermarktet. Bei denen geht die Karriere ab
 wie `ne Rakete."
 
  Björn Wagner hofft auf das Glück, entdeckt zu werden. Aber wer sucht einen Schlagersänger im
 Möbelhaus?
 
  ROLF LANGENHUISEN 
 
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